Und was hat das mit Vegetariern und Salamischeiben zu tun?
Ich höre gerade die Sprachnachricht meiner Freundin ab. Eine tolle Frau, die ich unglaublich gern habe. Empathisch, zielstrebig, herzlich mit internationaler Berufserfahrung und Führungserfahrung. Sie ist hoch qualifiziert und auch leidenschaftliche Mutter.
Gerade ist sie auf der Suche nach einem Job. Je mehr Zeit vergeht, desto größer scheint die Angst zu werden, keine herausfordernde Aufgabe zu finden, die gleichzeitig ein Familienleben erlaubt. Ich höre Verzweiflung in ihrer Stimme. Sie lacht, doch ich glaube, sie ist erschöpft und traurig.
Ich bin auch traurig, denn ich spüre, dass sie bereit ist, sich in ein Korsett zu zwingen statt ganz laut Ja zu sich selbst und ihren Bedürfnissen zu sagen. Zu groß die Scham, zuzugeben, nicht allen Ansprüchen in dieser Welt gerecht werden zu können? Zu groß ist die Angst, dann für immer abgeschrieben zu sein?
Ich konnte ihr bisher vielleicht ein Vorbild sein, doch ihren eigenen Weg kann sie nur selbst finden und gehen!
Der Weg der Anderen ist schon freigeräumt
Meine Freundin steht für so viele Menschen unserer Zeit, die den Weg anderer gehen, statt den Eigenen zu suchen. Das ist auf den ersten Blick einfacher, sicherer und schützt vor Enttäuschung und Verletzung.
Problem an der Sache? Deine Bedürfnisse kennt keiner – irgendwann nicht mal mehr du selbst – und du bist unzufrieden. Du vergisst immer mehr, wie dein Weg eigentlich aussehen soll oder begibst dich in eine schützende Opferhaltung: „Was soll ich denn sonst machen? Ich habe keine Wahl.“
Die meisten Menschen, mit denen ich arbeite, stecken genau an diesem Punkt. Sie sind sich ihrer Situation bewusst, beschreiben diese aber mit anderen Worten:
„Ich stecke in einer Sackgasse fest.“
Höre ich oft von Menschen, die ihre Rolle privat oder beruflich überdenken und nicht so richtig wissen, was sie eigentlich wollen. Oft sind sie in der beruflichen Pyramide bereits recht weit oben angekommen und haben einst formulierte Karriereziele erreicht.
Wenn andere dich einen Weg entlang treiben, der nicht deiner ist, um dich dann allein zu lassen, wie weißt du, wie es weitergeht? Du steckst in der falschen Straße fest und andere zeigen dir nicht mehr, wo diese dich hinführen wird!
„Ich habe das Gefühl, mein Leben zieht an mir vorbei.“
Oh ja, das habe ich vor ein paar Jahren auch noch gesagt. Der Weg, den andere dir zeigen, kann herausfordernd, spannend und landschaftlich auch wirklich wunderschön sein. In den seltensten Fällen gleicht dieser Weg aber deinem eigenen. Und irgendwann merkst du, dass das, was dich ausmacht, nicht stattfindet. Wie sagt Tijen Onaran so schön „Nur wer sichtbar ist, findet auch statt.“1 Ich finde, das kannst du wunderbar auf diese Situation übertragen.
„Ich mache einen richtig guten Job und bekomme null Wertschätzung dafür.“
Vielleicht ist hier der Zusammenhang nicht ganz so offensichtlich für dich. Du wirst wenig Wertschätzung empfinden, wenn du einen Weg gehst, auf dem du für deine Kletterfähigkeit Wertschätzung erfährst während für dich das Einsammeln von bunten Blumen viel wertvoller ist. Einen Vegetarier fängst du auch nicht mit einer Scheibe Salami.
Gehen alle den gleichen Weg, wird es eintönig
Neben den persönlichen Konsequenzen hat das Laufen des gleichen Weges auch gesellschaftliche und ökonomische Folgen.
Stell dir mal vor, alle gehen den gleichen Weg. Einen steilen und kargen Kletterstieg. Keiner hat den Mut, den längeren Weg mit den bunten Blumen zu gehen, weil nur Kletterfähigkeit belohnt wird.
Manche kommen an, manche fallen runter. Kein Einziger hat die bunten Blumen am Wegesrand gefunden, die an der Spitze des Berges für Abwechslung, neuen Schwung und bunteres Treiben sorgen könnten. Die Eintönigkeit wird nicht durchbrochen!
Welcher Preis ist höher? Den anderen hinterher zu klettern oder einen neuen Weg zu testen, den bisher noch keiner gegangen ist?
Im Konzern erlebte ich immer die gleichen Muster. Jeder war stets bemüht, so zu agieren wie alle anderen vor ihm. Der vermeintliche Garant für Aufstieg und Erfolg. Parallel wurde gefordert, „out of the box“ zu denken, da es plötzlich an neuen Ideen fehlte. Überraschung!
Ist doch strange oder? Denk mal out of the box während du bitte in der Box bleibst. Mein Humor wurde hier selten verstanden, nun gut. Das kann ich ja noch verstehen. Was ich nicht verstehen kann ist, dass alle Menschen brav so weitermachen.
Unser eigener Weg ist deutlich entspannter
Der Weg der Anderen mag erstmal einfach aussehen. Du musst lediglich deine persönlichen Handicaps (oder Schwächen) aus dem Weg räumen und dann kannst du die Rolle ausfüllen wie von dir erwartet. Doch nichts ist anstrengender, als dich auf das zu konzentrieren, was für dich nicht natürlich ist. Hinzu kommt deine anstrengende Aufgabe, Annahmen über richtiges Verhalten permanent aus dem Blickwinkel anderer Menschen aufzustellen.
Dahingegend ist nichts entspannter, als dich voll und ganz auf deine Individualität, dein Können, deine Stärken und deine Erfahrungen zu verlassen. Denn das ist Teil von dir, alles da und abrufbar.
Was also macht es uns Menschen dennoch so schwer, unseren Weg zu gehen?
- Wir werden sichtbar und angreifbar für unserer Identität (die bisher so schön verborgen bleiben durfte)
- Wir kennen den Ausgang unseres Weges nicht – Unsicherheit heißt Kontrollverlust
- Seit unserer Kindheit sind wir damit beschäftigt, uns anzupassen. Wir haben verlernt, unseren eigenen Weg zu beschreiben und vermischen diesen immer mehr mit Erwartungen anderer.
Du selbst zu sein lohnt sich und erfordert Mut und Vertrauen!
Als ich den Weg der anderen verließ, war ich mutig. Ich hatte Angst, doch mein Abenteuergeist siegte. Mir war – nach zwei Jahren intensiver Reflexionsarbeit – klar, dass ich keinen Bock mehr auf den steinigen Aufstieg hatte, obwohl ich inzwischen ein echter Kletterprofi war. Ich spiele halt lieber Tennis, kann es nicht ändern und will es auch nicht! (https://laura-langelueddecke.com/how-to-start-a-new-chapter/)
Meinen neuen Weg fand ich schnell. Zwei Dinge aber fordern mich noch heute heraus:
- Die zahlreichen Kreuzungen mit der Option, abzubiegen. Ich stehe ständig allein an der Kreuzung und frage mich, wo mein Weg jetzt lang gehen soll. Dabei ist es mir durchaus passiert, dass ich wieder auf einen neuen Kletterstieg gestoßen bin, um dann umzudrehen, weil ich da einfach nicht hochgekommen bin. Empfinde ich dann Scham, weil ich falsch abgebogen bin? Absolut, und ich teile sie, denn damit wird es leichter. In diesen Momenten bin ich absolut wütend und würde zu liebst den kompletten Weg zurücklaufen! Meistens gibt es aber in jeder Sackgasse eine bunte Blume zu entdecken – wenn ich nicht vor lauter Wut dran vorbeigelaufen bin.
- Es gibt ständig neue Untergründe – nicht immer nur Steine und Geröll, an die ich nach einigen Jahren optimal gewöhnt war. Stattdessen brauche ich permanent neues Equipment, weil meine alte Ausrüstung nicht mehr ausreicht. Ja, nervt! Vorteil, ich fühle mich inzwischen auf so manchem exotischen Terrain sicher.
Meine Kern Message für dich!
Der Weg der anderen führt dich an ein Ziel. In den seltensten Fällen ist es dein Ziel, was auf Dauer ermüdend und enttäuschend ist. Der sichere Weg zum eigenen Glück ist dein eigener Weg. Manchmal haben wir nur eine vage Vorstellung davon, wie dieser aussehen könnte und manchmal sind wir absolut planlos.
Ich stehe heute auf meinem eigenen Weg ohne dir genau sagen zu können, wo er mich hinführt. Das erfordert Mut und Vertrauen, aber es geht!
Was ich gelernt habe, ist loszugehen. Und das ist es, was ich mir für dich wünsche! Hör auf, den anderen hinterherzurennen. Zeige deine Schönheit, deine Individualität, deine vielen Schätze! Das brauchen wir in dieser Zeit so sehr. Und das ist der Grund, warum auch ich immer weiter laufen werde. Wenn du einen Buddy am Wegesrand suchst, sag mir Bescheid!
Welche Erfahrungen hast du gemacht, wenn du den Weg anderer gegangen bist? Was findest du daran herausfordernd, einen ganz eigenen Weg zu starten? Ich freue mich auf deine Kommentare!
1 Onaran, Tijen. (2020). Nur wer sichtbar ist, findet auch statt: Werde deine eigene Marke und hol dir den Erfolg, den du verdienst. (1.Aufl.)
2 Kommentare zu „Wo kommst du an, wenn du den Weg anderer gehst?“
Liebe Laura. Es ist einfach sooo verlockend, anderen zu folgen, die es vermeintlich besser wissen, als man selbst. Ich selbst habe auch lange meine Intuition weggedrückt und frage mich rückblickend, was da mit mir los war. Ständig habe ich die Antworten auf meine Fragen im Außen gesucht… Der Klassiker eben. Darum finde ich es so wichtig, dass heutzutage – zum Glück – viel mehr darüber gesprochen wird, wie man den eigenen Weg finden und gehen kann!
Liebe Anja, danke dir fürs Teilen deiner Gedanken. Das “dazugehören” ist einfach super wichtig für uns Menschen und erklärt oftmals, wieso wir gegen unsere eigenen Impulse handeln und stark im Außen agieren. Schön, wenn du deine Intuition heute spürst und ihr Raum geben kannst.